Niedrigschwelligen Zugang zu Postadressen für obdachlose Menschen sowie zu Verwahrgeldkonten für von Wohnungslosigkeit Betroffene beziehungsweise Bedrohte ausbauen

BÜRGERSCHAFT
DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG

Drucksache 22/8140
22. Wahlperiode 27.04.22

Antrag

 

der Abgeordneten Ksenija Bekeris, Iftikhar Malik, Kazim Abaci,
Danial Ilkhanipour, Regina-Elisabeth Jäck, Annkathrin Kammeyer, Jan Koltze,
Kirsten Martens, Ali Simsek (SPD) und Fraktion
und
der Abgeordneten Mareike Engels, Maryam Blumenthal, Filiz Demirel,
Michael Gwosdz, Britta Herrmann, Linus Görg, Christa Möller-Metzger,
Farid Müller, Dr. Gudrun Schittek, Yusuf Uzundag, Peter Zamory (GRÜNE)
und Fraktion

Betr.: Niedrigschwelligen Zugang zu Postadressen für obdachlose Menschen sowie zu Verwahrgeldkonten für von Wohnungslosigkeit Betroffene beziehungsweise Bedrohte ausbauen

Die Ursachen für Obdach- und Wohnungslosigkeit sind ebenso vielfältig wie ihre Erscheinungsformen: Persönliche Schicksalsschläge, schwierige Erkrankungen, eine plötzliche Kündigung oder Trennung, Gewalt und Konflikte im häuslichen Umfeld, auch die Zuwanderung im Wege der EU-Freizügigkeit.

Während der überwiegende Teil der Menschen, die in Hamburg wohnungslos werden, vom bestehenden System aufgefangen werden (zum Beispiel öffentlich-rechtliche Unterbringung), sind Menschen, die in die Obdachlosigkeit geraten, vor weit größere Herausforderungen gestellt. Hierzu gehören auch junge Menschen, die häufig wechselnde Übernachtungsmöglichkeiten aufsuchen, was als „Couchsurfing“ bezeichnet wird.

Vor diesem Hintergrund bietet das Hilfesystem diverse Angebote und Maßnahmen, um die multiplen Problemlagen zielorientiert und nachhaltig anzugehen. Der umfassende Ansatz des Gesamtkonzepts in der Wohnungslosenhilfe hat gegenwärtig seine Wirksamkeit gezeigt. Es stellt in großen Teilen ein gut funktionierendes System der Obdach- und Wohnungslosenhilfe dar. Die Angebote werden gut angenommen und ermöglichen es, die Betroffenen sukzessiv an das Regelsystem heranzuführen. Während wohnungslose Menschen in der Regel einen Anspruch auf Sozialleistungen wie beispielsweise SGB-II-Leistungen haben, gilt dies für obdachlose Menschen vielfach nicht, wie auch die Obdachlosenerhebung 2018 ergeben hat. Demnach setzt sich letztere Zielgruppe mittlerweile zu zwei Dritteln aus EU-Zugewanderten zusammen, die im Rahmen der bestehenden Freizügigkeitsregelungen mit dem Ziel der Arbeitsaufnahme nach Hamburg gekommen sind und überwiegend über keine Leistungsansprüche verfügen.

Mit dem Verlust der Wohnung beziehungsweise dem ausbleibenden Erfolg bei einer Arbeits- und Wohnungssuche und der dadurch fehlenden Meldeadresse werden eine würdevolle Lebensgestaltung und der Zugang zu Hilfen jedoch zunehmend erschwert: ob für den Leistungsbezug, die Kontoeröffnung, Verkehr mit Behörden und vieles Weitere. Aus Angst, fehlendem Wissen und Scham vor einer Meldung als wohnungslos gegenüber amtlichen Stellen erscheinen die individuellen Herausforderungen kaum überwindbar.

Um den aus der Obdachlosigkeit resultierenden Belastungen wie einer fehlenden Postadresse, fehlender Möglichkeit zum Ausruhen, fehlenden Hygienemöglichkeiten und einer angemessenen Nahrungsaufnahme zu begegnen, bietet das niedrigschwellige Hilfesystem mit seinen Tagesaufenthaltsstätten (TAS) auch die Möglichkeit, Postadressen einzurichten. Im Einzelfall legen Einrichtungen auch Verwahrgeldkonten an. Die Einrichtung einer Postadresse stellt ein wichtiges Instrument im Hilfeprozess dar. Sie verhilft den Betroffenen (wieder) zu mehr Eigenständigkeit und führt sie einen Schritt weiter auf dem Weg in die gesellschaftliche (Re-)Integration. Sie erlaubt es den Betroffenen, ihre Postangelegenheiten eigenständig zu erledigen, erleichtert den Weg in weitere Hilfeprozesse erheblich und ebnet den Weg einer nachhaltigen Besserung der Lebenssituation.

Obdachlose Personen mit einem Leistungsanspruch gemäß §§ 67 fortfolgende SGB XII können im Rahmen des Leistungsangebotes zwar auch in den Sozialen Beratungsstellen gemäß §§ 67 fortfolgende SGB XII eine Postadresse einrichten. Hierbei handelt es sich jedoch, anders als in anderen Angebotszusammenhängen, nicht um ein solitäres Angebot, wie es zum Beispiel in einer Tagesaufenthaltsstätte wahrgenommen werden kann, sondern es ist Teil eines auf §§ 67 fortfolgende SGB XII basierenden Hilfeprozesses. Gleiches gilt für die Einrichtung eines Verwahrgeldkontos, welches grundsätzlich nur in Zusammenhang mit einer Geldverwaltung als Teil eines Hilfeplans nach §§ 67 fortfolgende SGB XII angelegt wird. Vor diesem Hintergrund ist die Einrichtung beziehungsweise Ausweitung eines Angebotes von Verwahrgeldkonten oder der Einrichtung von Postadressen außerhalb des Hilfeprozesses in den Sozialen Beratungsstellen sowie anderen Leistungsangeboten gemäß §§ 67 fortfolgende SGB XII aktuell nicht möglich.

Daher ist es ein besonderes Anliegen, die bestehenden Angebote an Postadressen und Verwahrgeldkonten fortzuführen, bekannt zu machen und diese Möglichkeiten weiterzuentwickeln. Hierzu sind insbesondere auch niedrigschwellige Angebote zu erweitern, gerade für jene Betroffenen, die keinen oder nur schwer Zugang im sozialen Sicherungssystem finden.

Die Bürgerschaft möge daher beschließen: Der Senat wird ersucht,

  1. zu berichten, inwieweit die Angebote für Postadressen der hierfür vorgesehenen Zielgruppe der Obdachlosen bekannt sind und wie, bei entsprechendem Bedarf, der Bekanntheitsgrad dieses Angebots (zum Beispiel durch Flyer, Webseiten et cetera) erweitert werden kann.
  2. zu berichten, inwieweit die Angebote für Verwahrgeldkonten den hierfür vorgesehenen Zielgruppen der von Wohnungslosigkeit Betroffenen beziehungsweise Bedrohten bekannt sind und wie, bei entsprechendem Bedarf, der Bekanntheitsgrad dieses Angebots (zum Beispiel durch Flyer, Webseiten et cetera) erweitert werden kann.
  3. zu überprüfen, ob ein Bedarf zum Ausbau weiterer Postanschriften und Geldverwahrungskonten bei den Trägern besteht und wie im Bedarfsfall weitere Kapazitäten geschaffen werden können. In diesem Zusammenhang sind auch weitere Personal- und räumliche Bedarfe zu prüfen und zu decken.
  4. der Bürgerschaft bis zum 31.10.2022 zu berichten.

 

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