Die zukünftige Sozialberichterstattung in Hamburg – übersichtlich, kontinuierlich, digital verfügbar und mit besonderem Fokus

BÜRGERSCHAFT
DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG 

22. Wahlperiode

28.11.22, Drucksache 22/10073

Antrag

der Abgeordneten Mareike Engels, Filiz Demirel, Linus Görg, Michael Gwosdz, Dr. Adrian Hector, Britta Herrmann, Christa Möller-Metzger, Dr. Gudrun Schittek, Yusuf Uzundag, Peter Zamory (GRÜNE) und Fraktion

und

der Abgeordneten Ksenija Bekeris, Kazim Abaci, Danial Ilkhanipour, Regina-Elisabeth Jäck, Annkathrin Kammeyer, Jan Koltze, Iftikhar Malik, Kirsten Martens, Ali Simsek (SPD) und Fraktion

Im Koalitionsvertrag haben sich die Regierungsparteien von SPD und GRÜNEN darauf verständigt, die verfügbaren Erkenntnisse der empirischen und qualitativen Sozialforschung über die sozialen Verhältnisse in Hamburg und seinen Stadtteilen im Rahmen der regelmäßigen Sozialberichterstattung weiter auszubauen. Wir setzen dabei weiter auf den erfolgreich etablierten Ansatz der Lebenslagenberichterstattung, den wir methodisch weiterentwickeln wollen. Die Hamburger Lebenslagenberichterstattung hat sich bewährt und liefert, zusammen mit den statistischen Standardzahlen etwa zur Entwicklung der Zahl der Leistungsbeziehenden in den existenzsichernden Sicherungssystemen oder der Einkommensentwicklung und den auf Hamburg heruntergebrochenen statistischen Angeboten der Bundesagentur für Arbeit, ein breites Informationsangebot, um gezielt und wirksam handeln zu können. So können Politik und Zivilgesellschaft auf der Grundlage von umfassendem Wissen und guter Kenntnis über die sozialen Verhältnisse in Hamburg für die Menschen arbeiten. In Fortsetzung des 2014 veröffentlichen umfangreichen Sozialberichtes hat der Senat in der 21. Wahlperiode Lebenslagenberichte zu den Themen Familie (Drs. 21/11370), Obdach- und Wohnungslosigkeit (Drs. 21/17230), zur Situation der Geflüchteten in Hamburg und zu den Leistungsberechtigten im Rechtskreis des Sozialgesetzbuches, Zweites Buch (SGB II) veröffentlicht.

Wir sind der Überzeugung, dass eine kontinuierliche und sich weiterentwickelnde Sozialberichterstattung weiterhin sinnvoll und notwendig ist, um fundierte Informationen für Politik, Verwaltung, Fachverbände und Öffentlichkeit zu generieren. Ergänzend zur Lebenslagenberichterstattung soll in Zukunft ein Kanon von kontinuierlich erhobenen Sozialindikatoren verankert werden. Dies soll die Vergleichbarkeit über die Zeit hinweg erleichtern. Eine Verbesserung und Weiterentwicklung soll insbesondere durch die Verknüpfung mit der Berichterstattung zu RISE verbessert werden. Sozialberichterstattung ist als sozialpolitisches Instrument für sachgerechte Entscheidungen unverzichtbar, weil sie die Wirkungen gesellschaftlicher Verhältnisse und Entwicklungen objektiviert und bearbeitbar macht.

Die Stärke der Lebenslagenberichterstattung ist es, für die in den Fokus genommenen gesellschaftlichen Gruppen nicht nur statistische Daten zu liefern, sondern diese konkret auf lebensbestimmende Faktoren (zum Beispiel Einkommen und Erwerbslage, Bildung, Wohnen, Gesundheit und soziale Einbindung) zu beziehen und durch qualitative Analysen zu ergänzen. Durch dieses „in die Tiefe gehen“ können gezieltere Aussagen zu Problemen und Handlungsbedarfen gemacht werden, sodass gezielter Lösungsvorschläge erarbeitet werden können.

Neben der Lebenslagenberichterstattung verfügt Hamburg im Rahmen von RISE schon heute über ein umfangreiches Sozialmonitoring und nutzt dafür sozialräumliche Daten für alle statistischen Gebiete der Stadt. Bei RISE handelt es sich um das Rahmenprogramm Integrierte Stadtteilentwicklung unter Federführung der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, welches über ein Controlling einen Satz von Sozialindikatoren enthält, die auch auf kleinräumlicher Ebene bis hinab zu statistischen Gebieten ausgewiesen werden. Die Fachbehörden und Bezirksämter nutzen diese, um soziale Entwicklungen und Probleme frühzeitig zu erkennen. Diese räumlich angelegten Sozialdaten der integrierten Stadtteilentwicklung liefern eine kleinräumige Analyse aufgrund ausgewählter Indikatoren, die schon als Ausgangspunkt für vertiefende Analysen angelegt sind.

Daneben gibt es vielfältige Daten aus behördlichen Fachverfahren, dem Mikrozensus oder aus spezialisierten Monitoringinstrumenten wie zum Beispiel den Hamburger Gleichstellungsmonitor oder den Hamburger Sozialindex, der die sozioökonomische Zusammensetzung der Schülerschaft an allen allgemeinbildenden Hamburger Schulen beschreibt. Es mangelt in Hamburg nicht an zuverlässigen Datenbeständen, aber die unterschiedlichen räumlichen und zeitlichen Auflösungen der verschiedenen zur Verfügung stehenden Daten zur sozialen Lage machen ihre Nutzung kompliziert.

Hamburg hat mit dem Programm CoSI („Cockpit Städtische Infrastrukturen“) eine kartenbasierte Webanwendung zur digitalen, integrierten Planung von Quartieren entwickelt, mit dem sich Informationen zu städtischen Infrastrukturangeboten sowie statistischen (Sozial-)Daten auswerten lassen. Mit CoSI sind anlassbezogene Analysen möglich, die durch die Möglichkeit zur Visualisierung ein tieferes Verständnis von Datenbezügen und Zusammenhängen ermöglichen. Wir wollen die Leistungsfähigkeit des Programms CoSI durch Erweiterung der Datenbasis und der Funktionalitäten kontinuierlich ausbauen, um vor allem einen zeitnahen, analytischen Zugriff auf Datenbestände einfacher zu realisieren. Zudem wollen wir prüfen, wie CoSI über Open-Data-Plattformen auch allgemein zugänglich gemacht werden kann.

Hamburg verfügt also schon heute über leistungsfähige Bausteine, deren intelligente Weiterentwicklung und Kombination die Hamburger Sozialberichterstattung auf ein neues Level heben sollen.

Diese Ressourcen wollen die Fraktionen von SPD und GRÜNEN nutzen, um künftig einen zweijährlichen digitalen Bericht zur sozialen Situation in Hamburg und seinen Stadtteilen vorzulegen, der ein ausgewähltes Set wichtiger Sozialindikatoren aus den grundlegenden Lebensbereichen zusammenführt und Entwicklungen auf der Zeitachse transparent macht.

Zusätzlich werden die Regierungsfraktionen das etablierte Format der Lebenslagenberichte für bestimmte Zielgruppen fortführen und regelmäßig Lebenslagenberichte für eine ausgewählte Zielgruppe in Auftrag geben.

Zur fachlichen Weiterentwicklung der verschiedenen Bausteine einer integrierten Sozialberichterstattung soll ein interdisziplinärer Fachtag beitragen, der 2023 in Kooperation der beteiligten Behörden und unter Beteiligung wichtiger Stakeholder sowie externer wissenschaftlicher Expertise stattfinden und die Möglichkeiten und Ansprüche an eine zeitgemäße und digitale Sozialberichterstattung herausarbeiten soll.

Die Bürgerschaft möge beschließen:

Der Senat wird ersucht,

  1. im Rahmen einer stärker integrierten und auch sozialräumlich orientierten Sozialberichterstattung die vorhandenen Datenquellen weiter auszubauen und zu nutzen, um in Ergänzung zu den Lebenslagenberichten beginnend 2024 der Bürgerschaft im zweijährlichen Takt einen digitalen Bericht zur sozialen Situation in Hamburg und seinen Stadtteilen beziehungsweise Sozialräumen vorzulegen, der inklusive der RISE-Sozialindikatoren auf einem ausgewählten Set wichtiger und kontinuierlich erhobener Sozialindikatoren aus den grundlegenden Lebensbereichen basiert,
  2. das etablierte und produktive Format der Lebenslagenberichte für bestimmte Zielgruppen regelmäßig fortzuführen, um vertiefte, wissenschaftliche validierte Einblicke in einzelne Lebenslagen zu erhalten,
  3. zur fachlichen Weiterentwicklung der verschiedenen Bausteine einer integrierten Sozialberichterstattung im Jahr 2023 einen interdisziplinären Fachtag durchzuführen,

der die Möglichkeiten und Ansprüche an eine weiterentwickelte und digitale Sozialberichterstattung herausarbeiten soll,

  1. der Bürgerschaft bis zum 31.12.2023 zu berichten.
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