Effektiver Schutz vor Gewalt für Frauen – Stärkung der Beratungsstellen

BÜRGERSCHAFT
DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG

05.05.2021, Drucksache 22/4261

Antrag

der Abgeordneten Mareike Engels, Filiz Demirel, Michael Gwosdz,
Britta Herrmann, Linus Jünemann, Christa Möller-Metzger, Dr. Gudrun Schittek, Yusuf Uzundag, Peter Zamory (GRÜNE) und Fraktion

und

der Abgeordneten Ksenija Bekeris, Annkathrin Kammeyer, Iftikhar Malik, Kazim Abaci, Danial Ilkhanipour, Regina-Elisabeth Jäck, Jan Koltze, Kirsten Martens, Ali Simsek (SPD) und Fraktion

Betr.: Effektiver Schutz vor Gewalt für Frauen – Stärkung der Beratungsstellen

Hamburg und Deutschland haben sich zur konsequenten Umsetzung der Istanbul-Konvention verpflichtet, um Frauen und Mädchen effektiv vor geschlechtsspezifischer Gewalt zu schützen. Mit der Drs. 22/2319 “Istanbul-Konvention vollständig umsetzen und Strategie zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt fortschreiben” hat sich die Bürgerschaft erst kürzlich erneut zur Umsetzung der Istanbul-Konvention bekannt.
Bereits bei den letzten Haushaltsberatungen haben sich die Fraktionen der GRÜNEN und der SPD für eine Aufstockung der Mittel im Opferschutz eingesetzt, insbesondere für ein neues Frauenhaus und für weiteres Personal bei der Staatsanwaltschaft, um den gestiegenen Fallzahlen gerecht zu werden.
Die Corona-Pandemie verstärkt den Trend zu steigenden Fallzahlen. Insbesondere für Frauen und Kinder bedeutet diese gesellschaftliche Ausnahmesituation ein gestiegenes Gewaltrisiko. Der Verlust sozialer Kontakte und die eingeschränkten Möglichkeiten in durch Homeschooling und Homeoffice überlasteten und zu eng gewordenen Wohnungen bedeuten Mehrbelastung und Stress für alle Beteiligten. Gesundheitliche und finanzielle Existenzängste sind weitere Belastungsfaktoren, die Streit in den Familien und Partnerschaften eskalieren lassen können und das Risiko von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Übergriffen ansteigen lassen.
So zeigt eine repräsentative Studie der Technischen Universität München, dass 3,1 Prozent der Frauen in Deutschland in der Zeit der strengen Kontaktbeschränkungen zu Hause Opfer körperlicher Gewalt wurden, 3,6 Prozent wurden von ihrem Partner vergewaltigt. In 6,5 Prozent aller Haushalte wurden Kinder gewalttätig bestraft. Wenn die Familien akute finanzielle Sorgen hatten, stieg die Zahl der gewaltbetroffenen Frauen sogar auf 8,4 Prozent an. In Haushalten mit Kindern unter 10 Jahren wurden 9,2 Prozent der Kinder Opfer von Gewalt. Die Studie zeigt darüber hinaus, dass zu viele Frauen die einschlägigen Beratungs- und Hilfsangebote nicht kennen und deshalb neben den Hilfsangeboten auch die Öffentlichkeitsarbeit und Erreichbarkeit der Hilfen weiter ausgebaut werden sollte.

In Hamburg spiegelt sich die Zunahme häuslicher Gewalt konkret in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). So stieg zwischen Januar und September 2020 die Anzahl der angezeigten Gewaltdelikte in Partnerschaftsbeziehungen durch vorsätzliche einfache Körperverletzung um 17,2 Prozent an. Im Bereich der Gewaltkriminalität betrug laut PKS der Anstieg der Opfer 15,6 Prozent.
Diese Entwicklungen haben nach der ersten Lockdown-Phase mit gewisser Verzögerung in den Beratungseinrichtungen zu teils drastisch steigenden Fallzahlen geführt. Weitere Anstiege der Beratungsbedarfe sind durch die anhalten Lockdown-Phasen der zweiten und dritten Infektionswelle absehbar. In dieser Situation ist es geboten, die personelle Ausstattung der Gewaltschutzprojekte schnell und gezielt zu stärken, um den gestiegenen Beratungs- und Schutzbedarfen aktuell gerecht zu werden. Darüber hinaus sind vom Senat in der weiteren Hilfeplanung auch die mittelfristigen und langfristigen Folgen dieser lang andauernden Krisensituation in den Blick zu nehmen, die vielfach das familiäre Zusammenleben nachhaltig erschüttert haben. Diese Auswirkungen werden sich weit in das kommende Jahr 2022 hineinziehen. Auch die individuellen Beratungsprozesse werden nicht kurzfristig abgeschlossen sein.

Die Bürgerschaft möge beschließen:

Der Senat wird ersucht,
1. zur personellen Stärkung der Fachberatungsstellen im Bereich Opferschutz aufgrund der im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gestiegenen Fallzahlen für die Jahre 2021 und 2022 im Einzelplan 4, Produktgruppe 254.03 „Integration, Opferschutz, Zivilgesellschaft“ jeweils bis zu 100.000 Euro aus dem Einzelplan 9.2. bereit zu stellen.
2. die Personalsituation der Beratungseinrichtungen u. a. mit Blick auf die Folgewirkungen der Corona-Pandemie zu prüfen und eine auskömmliche Finanzierung auch für die Nach-Corona-Zeit vorzubereiten.
3. der Bürgerschaft zum 31. Dezember 2021 zu berichten.

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