BÜRGERSCHAFT
DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG
22. Wahlperiode
18.05.2022, Drucksache 22/8357
Antrag
der Abgeordneten Ksenija Bekeris, Kazim Abaci, Gabi Dobusch, Jan Koltze, Danial Ilkhanipour, Regina-Elisabeth Jäck, Annkathrin Kammeyer, Iftikhar Malik, Kirsten Martens, Ali Simsek (SPD) und Fraktion
und
der Abgeordneten Filiz Demirel, Mareike Engels, Michael Gwosdz, Maryam Blumenthal, Britta Herrmann, Linus Görg, Sina Imhof,
Christa Möller-Metzger, Zohra Mojadeddi, Dr. Gudrun Schittek, Yusuf Uzundag, Peter Zamory (GRÜNE) und Fraktion
Betr.: Förderung und Erhöhung der Erwerbs- und Selbstständigenquote von Frauen mit Migrations- und Fluchthintergrund
In der Pandemie der Jahre 2020 und 2021 haben sich viele bestehende Ungleichheiten verschärft und manifestiert. Einem Rollback im Bereich der Gleichstellung von Frauen muss entschieden entgegengearbeitet werden. Dies gilt umso mehr, wenn bereits vor der Pandemie Handlungsbedarf bestand wie in puncto ökonomische Unabhängigkeit und eigenständige Existenzsicherung von Frauen und im Konkreten die Förderung und Erhöhung der Erwerbs- und Selbstständigenquote von Frauen mit Migrations- und Fluchthintergrund.
Neben gleichstellungspolitischen Zielen hat Hamburg als Wirtschaftsmetropole einen hohen Fachkräftebedarf. Noch gelingt es nicht ausreichend gut, das Potential von Frauen mit Migrations- und Fluchthintergrund für diesen Fachkräftebedarf zu erschließen. Ihre Fähigkeiten und Möglichkeiten sind noch nicht ausgeschöpft und auch noch nicht genügend anerkannt.
Frauen migrieren aus den unterschiedlichsten Gründen und sind eine in sich sehr vielfältige Gruppe. Sie umfasst sowohl Binneneinwanderung aus anderen Ländern der Europäischen Union als auch Fluchtmigration, Heiratsmigration ebenso wie Armutsmigration. Die Ausbildungsspanne reicht von funktionalen Analphabetinnen bis hin zu hochqualifizierten Akademikerinnen. Zu den Frauen mit Migrationshintergrund zählen zudem auch Frauen, die nicht selbst migriert sind sondern einen Elternteil haben, der die deutsche Staatsangehörigkeit nicht von Geburt an hat. Entsprechend unterschiedlich ist der Unterstützungsbedarf, um auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen oder den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Die Aufnahme der überwiegend weiblichen Kriegsflüchtlinge und ihrer Kinder aus der Ukraine in Hamburg stellt zudem hinsichtlich der Herausforderungen und Chancen eine weitere hoch aktuelle Facette der Thematik dar.
Auch vielfältige Studien, beispielsweise des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend oder der Friedrich-Ebert-Stiftung, haben die Perspektiven und Bedarfe von Frauen mit Migrationshintergrund aufgegriffen und untersucht.
Die Stadt Hamburg bietet bereits eine Palette von Maßnahmen an, welche die Integration von Frauen mit Migrations- und Fluchthintergrund in den Hamburger Arbeitsmarkt erleichtern sollen. Grundlage sind das Hamburger Integrationskonzept „Teilhabe, Interkulturelle Öffnung und Zusammenhalt“ vom September 2017 und die Fachkräftestrategie des Senats, das gemeinsame Arbeitsmarktprogramm von Senat, Bundesagentur für Arbeit Hamburg und Jobcenter t.a.h sowie aktuell das Corona-Arbeitsmarktprogramm des Senats.
Das kennzahlenbasierte Hamburger Integrationskonzept (zuletzt Drs. 22/6427) betrachtet seit einigen Jahren die Erwerbsquote von Frauen mit Migrationshintergrund. Während die Erwerbsquote von Frauen ohne Migrationshintergrund 2019 bei 80,1 Prozent lag, lag sie bei den Frauen mit Migrationshintergrund bei 63 Prozent. Im Jahr 2020 ist die Erwerbsquote der Frauen, ob mit oder ohne Migrationshintergrund, gesunken. Der Senat hat deshalb auch unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Corona-Pandemie für 2024 den Zielwert für die Erwerbsquote von Frauen mit Migrationshintergrund auf 63,5 Prozent festgelegt.
Vorhandene Strukturen und Angebote müssen sich sowohl an zugewanderte Frauen selbst als auch an die im Wege des Familiennachzugs mit- und nachreisenden weiblichen Familienangehörigen richten. Diese Strukturen und Angebote sollen den Wunsch nach Erwerbsarbeit unterstützen, dürfen dabei aber nicht nur auf ein Aktivwerden der Zugewanderten und deren Kenntnis des deutschen Bildungs- und Arbeitsmarktes setzen. Hier müssen die vielfältigen Wege und Möglichkeiten aufgezeigt werden und die Informationen zu den Frauen gebracht werden.
Die Maßnahmen sollten niedrigschwellig zugänglich sein und dementsprechend weiterentwickelt werden. Zentrales Angebot zur Arbeitsmarktintegration von zugewanderten und zuwandernden weiblichen (potentiellen) Fachkräften ist seit 2021 vor allem das Hamburg Welcome Center (HWC), das eng mit den in der Stadt vorhandenen Förderangeboten für Frauen kooperiert.
Die Stadt Hamburg braucht und will individuelle, effektive und vor allem passende Maßnahmen anbieten, die den Frauen in ihrer Lebenssituation am besten nützen.
Die Bürgerschaft möge beschließen:
Der Senat wird ersucht,
1. darzustellen, wie das Ziel der Steigerung der Erwerbsquote von Frauen mit Migrationshintergrund seit 2015 erreicht worden ist,
2. darzustellen, wie sich die Selbstständigenquote bei den Frauen mit Migrationshintergrund entwickelt hat und welche Maßnahmen zu ihrer Steigerung ergriffen wurden,
3. zu bewerten, welche Maßnahmen Frauen mit Migrationshintergrund besonders ansprechen und welche sich eher nicht bewährt haben und dabei auch Maßnahmen in den Blick zu nehmen, die die familiäre Situation und die Lebenswirklichkeit der Frauen berücksichtigen,
4. die aus den Punkten 1 bis 3 gewonnen Erkenntnisse als Themenschwerpunkt in das gemeinsame Arbeitsmarktprogramm von Senat, Agentur für Arbeit und Jobcenter team.arbeit.hamburg zu überführen und entsprechend Zielsetzungen und Maßnahmen anzupassen, auszuweiten und zu ergänzen,
5. sich auch über die Konferenz der Arbeits- und Sozialminster:innen (ASMK) für die Ziele einzusetzen, die das Regierungsprogramm des Senats für die 22. Wahlperiode für die Förderung von Frauen mit Migrationshintergrund formuliert hat, und
6. der Bürgerschaft über den Themenschwerpunkt „Frauenerwerbstätigkeit“ im Rahmend des gemeinsamen Arbeitsmarktprogramms von Senat, Agentur für Arbeit und Jobcenter team.arbeit.hamburg zum 30.06.2023 zu berichten.