Vorbild und Mentor zugleich sei ihm der früh verstorbene Vater gewesen, notierte Ralf Dahrendorf (1929-2009), der renommierte deutsch-britische Soziologe und Publizist, in seinen Lebenserinnerungen. An ihn, den Sozialdemokraten, Regime-Gegner und Genossenschaftler Gustav Dahrendorf (1901-1954), erinnert nun ein Stolperstein, der am 7. Oktober im Wellingsbüttler Weg eingeweiht wurde und für den ich die Patenschaft übernommen habe.
Schon in Schul- und Lehrjahren wurde der in Hamburg geborene Gustav Dahrendorf über die Stationen Arbeiterjugend, Gewerkschaft und Sozialdemokratie politisch geprägt. In den frühen Jahren der Weimarer Republik hatte er sich als Redakteur der sozialdemokratischen Tageszeitung „Hamburger Echo“ sowie als aktiver Jungsozialist auch überregional einen Namen gemacht und trat als entschiedener Verfechter von Demokratie und Republik in Erscheinung. Durch diese herausgehobenen Positionen geriet er früh ins Visier der Nationalsozialisten und war bereits unmittelbar nach deren Machtübernahme polizeistaatlicher Willkür und Gewalt ausgesetzt. Durch Partei- und Presseverbot seiner wirtschaftlichen Grundlage beraubt, zog Dahrendorf mit seiner Familie 1933 nach Berlin, wo er eine Stellung als kaufmännischer Angestellter annahm. Spätestens seit 1942 beteiligte er sich aktiv an den Umsturzplanungen verschiedener Widerstandsgruppen. Nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 wurde Dahrendorf verhaftet und nur wenige Wochen später in einem Schauprozess zu einer mehrjährigen Zuchthausstrafe verurteilt.
Nachdem er im Frühjahr 1945 durch die Rote Armee aus der Haft befreit worden war, wirkte Dahrendorf zunächst in der sowjetischen Besatzungszone an der Reorganisation der SPD mit. Den propagierten Zusammenschluss mit der KPD zur SED lehnte er kategorisch als „Zwangsvereinigung“ ab und kehrte 1946 mit seiner Familie nach Hamburg zurück, wo er vor allem im Genossenschaftswesen ein neues Betätigungsfeld fand. Dahrendorf verstarb überraschend im Oktober 1954.
Sein konsequentes Eintreten für demokratische Werte, für politische Freiheit und soziale Gerechtigkeit zog sich wie ein roter Faden durch sein Leben. Sein Mut und seine Entschlossenheit, diese Ideale selbst in totalitären Systemen zu verteidigen, verdienen im höchsten Maße unsere Anerkennung und unseren Respekt. Wenn Dahrendorf uns, den Vertreterinnen und Vertretern der Enkelgeneration, persönlich kein Mentor mehr sein konnte, so ist er uns doch Vorbild und Inspiration zugleich!